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Samstag, 21. April 2018

Ringen im Feld.


Eine sogenannte „Randsportart“ wie das Ringen kann nicht darauf warten, daß die Kinder von alleine kommen. Das ist beim Fußball und bei einigen Mode-Sportarten der Fall. Man mag bedauern, daß das Ringen nicht so populär ist, wie es sein könnte. Aber über Nacht und ganz allein werden wir daran nichts ändern. Vorläufig können die Ringer ihren Nachwuchs nur durch persönlichen Kontakt, durch Mundpropaganda gewinnen. Das heißt dadurch, daß ein Verein im Wohnviertel Wurzeln faßt und dort in der „Volkskultur“ eine Rolle spielt! Wenn im Wohnzimmer, in der Eckkneipe und vor allem auf dem Schulhof gelegentlich mal einer sagt: „Ach, was war eigentlich bei euerm Turnier letztes Wochenende?“ 

Das hat es früher in den Arbeitervierteln gegeben, wo Ringen populär war, aber das ist lange her. In Moabit ist davon nichts übrig, und in Lichtenberg fehlt es auch. Wir müßten also neu anfangen. Aber nicht jedes Wohngebiet eignet sich dafür. Und vor allem: Es setzt voraus, daß im Sportverein mehr vorkommt als nur der Sport; nämlich Geselligkeit und Vergnügen. Das gilt für die Erwachsenen und erst recht für die Kinder. Kurzum, wir hätten die Ärmel hochkrempeln und ganz tief pflügen müssen. [...] 

Nun ist uns eine ungeahnte Chance ohne viel eigenes Zutun gleichsam in den Schoß gefallen. Es ist der Entschluß der Poelchau-Oberschule in Jungfernheide, im kommenden Schuljahr einen „sportbetonten Zug“ einzurichten. Wir haben die Schule davon überzeugen können, dass das Ringen unbedingt in ihrem Angebot vertreten sein muß. [...]  Nicht jedes Wohngebiet eignet sich dafür: doch kein zweites Wohngebiet in Berlin dürfte sich so gut eignen wie unser neuer Standort Jungfernheide. Wir sind dort fast konkurrenzlos in einem kleinen, übersichtlichen, unsern Kräften angemessenen „Feld“ und besetzen eine strategische Stellung zwischen der Oberschule und vier benachbarten Grundschulen. Wenn wir mit unsern Kräften haushalten und uns nicht verwursteln, dann gehören wir dort in ein, zwei Jahren zum Lokalkolorit und sind aus dem Viertel „einfach nicht mehr wegzudenken“. Dann sagen die Kinder auf der Straße zueinander: „Spielste Fußball oder jehste zum Ringen?“

Dort können – und müssen – wir in die Tiefe wirken. Denn was noch fehlt, das sind die „Wurzeln“ im Alltagsleben der Nachbarschaft. Unser Verein muß sich im Kiez zu einer moralischen Autorität aufbauen. Wie das? Indem wir zuerst für die Kinder, die bei uns ringen, und dann für ihre Eltern und Lehrer; dann für ihre Freunde und dann für deren Eltern und Lehrer zu einer moralischen Autorität werden – und so fort; denn sowas spricht sich rum.

Das muß auf zwei Feldern gleichzeitig geschehen. Zum einen durch die Qualität des Sports, den wir vertreten. Konkret gesprochen, durch das Niveau des Kinder- und Jugendringens in Berlin. Die Stabilisierung und Entwicklung des sportlichen Standards auf Landesebene liegt im unmittelbaren egoistischen Vereinsinteresse, weil es die Autorität unseres Sports – und damit auch die unsere stärkt. 

Und zum andern durch die Qualität unseres Zusammenlebens mit den Kindern. Dazu gehören Spaß und Geselligkeit als tragender Grund gegenseitigen persönlichen Vertrauens. Jeder weiß, daß das nicht die unwichtigste Voraussetzung für den sportlichen Erfolg ist. Vielleicht nicht für jede einzelne Leistung in jedem einzelnen Wettkampf; aber doch für einen anhaltenden Leistungswillen, der auch Zeiten des Durchhängens überdauert.

Das eine ist die Bindung an diesen Sport, das andere ist die Bindung an diesen Verein – und das läßt sich nicht voneinander trennen. Wenn wir am Standort Jungfernheide rund um die Poelchau-Schule mit unsern knappen Kräften das hinkriegen, dann dürfen wir uns was darauf einbilden. Denn dann haben wir ein „Modell“ geschaffen, um das uns alle andern beneiden können. Aber wenn wir uns das nicht zutrauen, dann brauchten wir gar nicht erst anzufangen.

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