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Umordnung der Sozialarbeit.


1. Hoheitliche Hilfe? Familienhelfer in der Zwickmühle
2. Ein Vorschlag zur Umordnung der Jugendhilfe Für eine öffentlich-rechtliche Kammer der Sozialarbeit
3. Ein gewagtes Unternehmen Warum Sozialarbeit nicht in den Öffentlichen Dienst gehört 
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Hoheitliche Hilfe? 
Familienhelfer in der Zwickmühle

Der folgende Text verbindet das ‚Profil‘ auf meiner Homepage mit dem Kapitel ‚Sozialarbeit‘ auf dieser Site – thematisch und biographisch; und zwischen beiden besteht in meiner pädagogischen Berufsarbeit auch ein pragmatischer Zusammenhang. In Le Petit Sénart hatte ich mich ja nur mit der ‚Objektebene’ der pädagogischen Tätigkeit zu befassen – und evtl. mit deren institutionellen Komplikationen als ihrer Randbedingung. Doch als ich von 1984 bis 1989 in Berlin (W) als sogenannter Familienhelfer tätig war, der gewissermaßen als Freischärler zwischen allen Stühlen sitzt, hat sich mir die ‚Meta-Ebene’ unmittelbar aufgedrängt, als ein unfaßliches Gestrüpp. Das Kernproblem von Pädagogik und Sozialarbeit liegt nicht in den Charakteren dieser oder jener Institution – die kommen nur nachträglich erschwerend hinzu -, sondern in ihrer Verfaßtheit als öffentliches System. Erst wenn man diesen ‚höchsten Punkt’ der fachlichen Anschauung einmal erklommen hat, kann man auf sicheren Wegen den Wiederabstieg in die Niederungen des pädagogischen Alltags ins Auge fassen. Der nachstehende Text kann zeigen, wie aber auch jener ‚höchste Punkt’ nicht durch soziologische Analyse in den Seminaren, sondern auf pragmatischem Weg an den Fährnissen ebendieses Alltags gewonnen wurde.

Niedergeschrieben wurde er im Mai 1990 für eine Politikerin in der (gerade) noch bestehenden DDR; sie hat aber nichts damit anfangen können.

Es war die erste einer langen Reihe zunehmend grundsätzlicher Auseinandersetzungen mit den Zwecken und den Voraussetzungen der Sozialen Arbeit, die auf dieser Seite dokumentiertwerden.


 

Sozialarbeit – und namentlich Jugend-Sozialarbeit – hat längst aufgehört, ein karitativer Gnadenakt im Ausnahmefall zu sein. Sie ist zu einer regulären Gemeinschaftsaufgabe geworden. (Der Grund dafür ist der – als „Zerfall“ beklagte – Funk- tionsverlust der /klein-/bürgerlichen Familien-Zelle. Den mag man bedauern; aber die Politik hat von ihm, als von einem Faktum, auszugehen.)

Als Gemeinschaftsaufgabe muß die Sozialarbeit öffentlich verfasst sein, und zwar nicht nur zwecks Kontrolle der öffentlichen Gelder, sondern vor allem auch, um der feudalen Landnahme durch den machtbewußten Berufsstand der „Helfer“ einen Riegel vorzulegen – und das ist ein fachlicher Grund.

Aber damit gerät die Sozialarbeit in ein Dilemma: Als Sozialarbeit hat sie den Charakter von „helfender Beratung“; aber als öffentliche ist sie ein Hoheitsakt des politischen Souveräns. Anders gesagt: Was „eigentlich“ als ein Privatverhältnis gemeint ist – ‚zwischenmenschliche Interaktion’ -, erscheint andererseits immer (auch) als unpersönliches Verwaltungshandeln einer Behörde. Die öffentliche Sozialarbeit erscheint darum immer (auch) als Bevormundung.

Das war so lange kein Problem, als die Sozialarbeit sich selber fürsorglich und vormundschaftlich aufgefaßt hat: als eine Art psychosoziale Gesundheitspolizei. So lange konnte sie sich nahtlos der Hoheit eines vormundschaftlichen Staates einfügen. Aber seit sie aufgehört hat, bloß vereinzelte „Intervention“ im je individuellen Sonderfall zu sein, und vielmehr allgemeines und öffentliches Institut geworden ist, muß sie sich in ganz anderer Weise die Frage nach ihrer Effektivität stellen – und stellen lassen. Sie musste erkennen, dass eine vormundschaftliche „Betreuung“ das Problem nicht löst, sondern nur verschiebt – in der Zeit: Die „Fürsorge“ schafft Anpassung zum Preis neuer Abhängigkeit, und wird so selber Ursache von Lebensuntüchtigkeit. Es ist eine Schraube ohne Ende und, vom Standpunkt der öffentlichen Finanzen, ein Faß ohne Boden.

Die Sozialarbeit mußte sich als aus fachlichen Gründen, wohl oder übel, dem (psychotherapeutischen) Modell „nicht-direktiver, klientenzentrierter“ Lebens-Beratung anbequemen: mit dem Ziel, den Klienten zu befähigen, seine Lebens- probleme selbst zu meistern, statt sie stellvertretend für ihn zu „regeln“.

Beziehungsfalle


Das brachte aber die öffentliche Sozialarbeit in eine Klemme – weil nämlich die „helfende“ und die „Hoheits“-Funktion vermengt erscheinen. Was immer der Sozialarbeiter „helfend“ gemeint haben mag – es wird immer (auch) „hoheitlich“ verstanden. In der Sprache der Kommunikations- wissenschaftler: Was immer auf der helfenden Objekt-Ebene ausgesprochen wird, wird auf einer hoheitliche Meta-Ebene dementiert – oder jedenfalls in Zweifel gezogen.

Das heißt natürlich noch nicht, daß nicht im einzelnen Fall dennoch eine effektive „helfende“ Beziehung entstehen kann; aber es wird wenig wahrscheinlich: Es heißt, daß auf lange Sicht und im statistischen Durchschnitt ein solches System staatlicher Sozialarbeit ineffektiv werden muß. 



Die Lösung des Dilemmas kann nur in einer Entmischung von „helfender“ Aufgabe und Hoheitsfunktion gefunden werden. Die Auf- gabe lautet: ein System erfinden, in welchem einerseits die Sozialarbeit aus der Hierarchie der öffentlichen Ver- waltung ausgeglie- dert, aber zugleich die öffentliche Kontrolle der Sozialarbeiter gewährleistet ist.

Die Einführung der „Familienhelfer“ als Freie Mitarbeiter der Familienfürsorge in West-Berlin vor rund zehn Jahren konnte als ein Schritt in die richtige Richtung erscheinen. Der Gerechtigkeit halber muß aber gesagt werden, dass sie so nicht gemeint war: „Gemeint“ war eine schmalspurige, empiristische, opportunistische Entlastung der Sozial- arbeiter(innen) bei der FaFü, die vor lauter Verwaltungskram keine Zeit mehr für ihre Hausbesuche fanden – unter der (haushälterischen) Maßgabe, „Fremdunterbringung möglichst zu vermeiden“. – Man hätte ja auch, andersrum, auf die Idee kommen können, die Sozialarbeiter(innen) vielmehr von ihren hoheitlichen Aktenberge zu entlasten, sie aus den Rathäusern raus- und – als Streetworker – in die Wohngebiete hineinzuschicken. Aber da kenn’se die preußische Verwaltung schlecht! Probleme mag’s überall geben: bloß nicht beim Dienstrecht.

Das ist auch noch der heutige Stand. Das Institut des Familienhelfers hat sich in einem Jahrzehnt nicht entwickelt.

Staatsamateure


Denn leider ist der Status der Familienhelfer ein ganz prekärer. Der Zwiespalt Helfer/Hoheitsträger, den er vornherum in abstracto überwunden hat, schleicht sich hintenrum in concreto immer wieder ein, und zwar in mannigfacher Verkleidung.

Der Strick, mit dem er an der staatlichen Hoheit baumelt, ist, wer hätte das gedacht, das liebe Geld: die Honorarfrage. Denn anders als ein richtiger Freiberufler – Anwälte, Ärzte – wird er nicht von seinen „Klienten“ selbst (oder deren Versicherung) bezahlt, sondern vom Vater Staat.

Da ist zunächst das Statusproblem. Vom Standpunkt der Verwaltung ist er eine Art Hiwi minderer Ordnung: das fünfte Rad am Staatswagen. Selbst von den Sozialarbeitern in der FaFü wird er oft nicht als professioneller Fachmann, sondern als gelegentlicher Amateur angesehen, der nicht sonderlich ernst zu nehmen ist. (Mit dem unvermeidlichen Ergebnis, daß nach einer Weile der Anteil unernster Amateure an den Familienhelfer unnötig hoch ist.) Sobald er auf seinen professionellen Rang pocht, läuft er Gefahr, in einen Konflikt um die Hackordnung zu schliddern, der er nicht gewinnen kann. Er ist hier nämlich restlos auf den – guten oder schlechten – Charakter der Personen angewiesen, mit denen er zufällig zu tun hat; denn einen institutionellen Einfluß hat er nicht. Wenn er Glück hat, hat er Glück. Wenn nicht, dann hat er Pech gehabt, punctum.

Und das sind in der Tat nicht-professionelle Arbeits- bedingungen, die ein Fachmann auf die Dauer nicht hinnehmen kann. Der Familienhelfer steht wirklich auf der Kippe zwischen Profi und Amateur! Und das kann auf die Rekrutierung nicht ohne Einfluß bleiben. (Wiederum: Hier ist nicht von den Einzelnen die Rede, sondern vom Institut – und das ist nicht nach den „Fällen“ zu beurteilen, sondern nach Querschnitten und Längsschnitten.)

Wie man’s macht…


Mit seinem Klienten geht es dem Familienhelfer aber auch nicht besser. Für den erscheint er entweder als Topfgucker des Jugendamts; oder als „jobbende“ Haushaltshilfe und Babysitter; oder, wenn er Glück hat, als netter Kerl. Jedenfalls nicht als ernstzunehmender Fachmann. Ohne die Autorität (Achtung und Vertrauen) des Fachmanns wird er aber ein Verhältnis „helfender Beratung“ kaum herstellen können.

Die Katze beißt sich in den Schwanz: Hat er „Autorität“, so ist es die des Hoheitsträgers – als Spion der Behörde. Und dann ist es mit dem „Helfen“ Essig. Findet er aber die „menschliche Ebene“, dann hat er keine Autorität. Und mit dem „Helfen“ ist es auch Essig.

…isses verkehrt


Mancher Familienhelfer mag sich im Alltag damit durchschummeln, daß er in Gegenwart seiner „Klienten“ viel auf „die Verwaltung“ schimpft – um sich als Fachmann für Hilfe und Beratung ins recht Licht zu rücken; die Versuchung ist groß. Aber damit betrügt er immer nur sich selbst, selten den Klienten: Je mehr er – gegen die Behörde – „für den Klienten Partei ergreift“, je mehr er sich zum Kumpel macht, um so weniger findet er seine… Achtung; und wieder Essig!




https://neusozialarbeit.files.wordpress.com/2008/09/polizeibild_frei.jpg 
Die Stellung des „freien“ Familienhelfers zwischen Behörde und Klient ist immer eine Zwickmühle, und sein Auftritt ist immer ein Eiertanz. Nicht, daß nicht manche – vielleicht die meisten? – Westberliner Familienhelfer die Kunst des Eiertanzens recht virtuos beherrschten. Wie aber wird es um die Zukunft eines Instituts bestellt sein, wo das Eiertanzen zum Berufscharakter gehört? Am Ende kommt nur noch ein bestimmter Menschenschlag für diese Tätigkeit in Frage: Amateure.

Artisten in der Zirkuskuppel

Ach ja, das liebe Geld. Daß es nicht gut sein kann für das „helfende“ Bemühen des Sozialarbeiters, wenn er an seinem „Fall“ ein finanzielles Interesse hat, klingt so trivial, daß man es kaum aussprechen mag. Aber bloß, weil eine Wahrheit trivial ist, hört sie nicht auf, wahr zu sein. Daß es das Honorar ist, das dafür die Verantwortung trägt, wenn so manche Psychotherapie – vor allem die psychoanalytische – schier endlos dauert, ist allgemein bekannt; nämlich in Amerika, wo es private Versicherungen sind, die die Honorare auszahlen müssen. Und die haben mittlerweile zahlungskräftig dafür gesorgt, dass es ein breites „Angebot“ von Blitz-Therapien (brief therapies) gibt.

Sollte bei der „freien“ Sozialarbeit alles anders sein? Es ist anders: Weil ein anonymer Apparat das Geld der Steuerzahler ausgibt; und weil die „Erfolgs“-Maßstäbe in der Sozialarbeit womöglich noch weniger objektivierbar sind als in der Psychotherapie; und weil schließlich der Bürohengst der allerletzte ist, der über Erfolg oder Misserfolg des klinischen Sozialarbeiters urteilen kann. Und tatsächlich die Verwaltung die klinischen Sozialarbeiter in Wahrheit auch gar nicht; anstelle effektiver Erfolgs-Kontrolle findet eine Art präventiver Schikane statt – in der Illusion, eventuellen Mißbrauch „abschrecken“ zu können.

– ratlos

Aber dass die Mittel zu einer effektiven Kontrolle fehlen, heißt ja nicht, dass das Problem nicht bestünde.

Das Problem besteht nicht bloß darin, dass unter Umständen Steuergelder vergeudet würden. (Man könnte zynisch sagen: Auf das bißchen kommts auch nicht mehr an!) Es ist vielmehr wiederum ein fachlich-pragmatisches Problem.

Ziel beim Einsatz eines Familienhelfers ist doch, den Klienten zur Bewältigung seiner Lebensprobleme beratend zu befähigen. Ihn also instand zu setzen, ohne Hilfe auszukommen. Soll die „Beratung“ in diesem Sinn erfolgreich sein, dann muß – früher oder später – zwischen „Berater“ und „Ratsuchendem“ eine Art dialogisches Verhältnis eintreten. Kommt es nicht zustande, ist der Einsatz abzubrechen.

Aber dazu müsste sich der Familienhelfer den Abbruch leisten können. Das kann er in Berlin derzeit nicht; denn er bricht ja zugleich seine Existenzgrundlage ab: Er hat ja keinerlei Anspruch auf einen erneuten Einsatz durch das Bezirksamt!

Man muß sich klarmachen, dass zwischen Familienhelfer und Bezirksamt keinerlei vertragliche Abmachung besteht. Die irgendeinen Anspruch begründen könnte.

Der Familienhelfer wird im Zweifelsfall immer dazu neigen, einen Einsatz in die Länge zu ziehen – auch ohne, und selbst gegen sachliche Gründe.[*]

Zu viel des Guten

Ein solcher grundloser Einsatz ist aber nicht einfach nur „überflüssig“. Das wäre dann bloß ein fiskalisches Problem(chen).

Ein unnützer Einsatz ist vielmehr in aller Regel schädlich.

Wenn nämlich die Aufgabe – Befähigung zu eigener Problembewältigung – erfüllt ist, kann ein fortgesetzter Einsatz eigentlich immer nur neue Abhängigkeit begründen.

Ist der Einsatz unnütz, weil ein dialogisches Verhältnis sich nicht einstellen will, dann liegt das entweder an dem „Helfer“: Er ist an dieser Stelle nicht der Richtige; dann muß ein andrer ran. Oder es liegt am „Klienten“: weil er in Wahrheit gar keinen Rat sucht; sondern vielleicht nur eine Haushaltshilfe gratis – aber das ist noch der harmlosere Fall; meistens eher, weil er die Gegenwart des „Helfers“ wie eine spanische Wand benutzt, die er zwischen sich und seine Lebensprobleme schiebt. Die Präsenz des „Helfers“ wirkt dann wie ein Rauchvorhang, der Untüchtigkeit verschleiert – und verfestigt; und das ist, fachlich gesprochen, schädlich.

Der Witz bei der Sache ist der, daß der Familienhelfer ja nicht nur mit dem Bezirksamt keinerlei Vertrag hat, sondern, nach Lage der Dinge, mit seinem Klienten erst recht nicht. Aber eine „helfende Beziehung“ kann ohne solche kontraktliche Grundlage, durch die sich beide gegeneinander verpflichten, höchstens mal durch einen glücklichen Zufall zustande kommen. Solange aber den Klienten der Einsatz des Familienhelfers buchstäblich nicht kostet, werden in der Regel seine eigenen Anstrengungen – eben das Suchen nach Rat –mäßig bleiben.

Das alles ließe sich endlos fortsetzen, hundertfach mit Anekdoten garnieren, ohne den Gegenstand zu erschöpfen – wohl aber den Leser.

Ein gordischer Knoten


Also langer Rede kurzer Sinn: Die Idee, in die Sozialarbeit ein freiberufliches Element einzuführen, um sie aus der staatlichen Verwaltung herauszulösen, ist m. E. die einzige Zukunftschance dieses Berufs. Aber die besondere Westberliner Lösung der Aufgabe ist ein Holzweg: Sie treibt den Teufel mit Beelzebub aus.

Wohlgemerkt: Es geht nicht darum, eine perfekte Formel zu finden, in der für alle Eventualitäten vorgesorgt ist. Im Gegenteil: Die Sozialarbeit lebt davon, dass sie immer wieder improvisiert – weil sie muß. Aber das kann sie eben nur, wenn sie einen festen Rahmen hat. Und er gibt nur dann Raum fürs Improvisieren, wenn er weit ist; aber je weiter er ist, umso fester muß er auch sein. Kurz und gut: Die Lösungsformel muß einfach sein.

Die Berliner „Lösung“ ist von alldem das Gegenteil. [*] Ein kardinales technisches Problem für den Familienhelfer ist, daß er keinen hat, der ihm auf die Finger sieht: Er hat keine Instanz, die ihn zur Selbstbeobachtung zwingt! Er kann sich einreden, daß er selbstkritisch ist; aber er kann nicht wissen, ob es stimmt.

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Zuerst veröffentlicht in: Unsere Jugend 5/1991



Hercules mistet den Augiasstall aus; römisch.

Für eine öffentlich-rechtliche Jugendhilfe-Kammer. 
in Sozial Extra 2/1991

Dass das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz im letzten Frühjahr [1990!] so sang- und klanglos über die Bühne gehen konnte, war kein Ruhmesblatt für die ehedem so rührige Zunft der Sozialpädagogen. Ja, allerlei Flickwerk im Detail – aber eine tragende Idee, eine gesellschaftliche Perspektive, die hätte mobilisieren können? Fehlanzeige.

Das Ergebnis ist danach. Richtig dagegen sein kann man nicht: Es sind ja wirklich ein paar Fortschritte da und dort. Aber so recht zufrieden ist auch keiner. Das macht: Es wimmelt von Kann- und Sollbestimmungen, in denen die Grundfragen, wie etwa das Verhältnis von Kindes- und Elternrechten, absichtsvoll untergehen.

Zum Glück geben uns die Kann- und Sollvorschriften eine – unverdiente – zweite Chance. Sie machen nämlich die Novellierung der landesrechtlichen Ausführungsgesetze zum bisherigen Jugendwohlfahrtsgesetz unabdingbar: Die Lücken müssen geschlossen werden. Vielleicht könnte ja gerade die Jugend- und Sozialpolitik gewinnen im Prozess der deutschen Vereinigung – und seiner Neubelebung des föderalen Prinzips?!

Die Voraussetzungen sind ja da. Ein Hauch von ‘68 hängt nämlich in der Luft.* Die Profession ist, endlich, der technizistischen Kleinkrämerei überdrüssig. Eine neue Idee müsste her. Aber wer traut sich?

Dabei liegen alle sachlichen Elemente längst auf dem Tisch des Hauses. Es gilt nur noch, sie zusammen zu fassen unter eine ordnende Perspektive. Aber dazu müsste man einen geeigneten Blickpunkt finden; Überblick finden über das Chaos der tausendfältig spezialisierten Dienste. Gibt es im Reich der Jugendhilfe ein Institut, an dem man exemplarisch die Grundfrage der öffentlichen Sozialarbeit zur Darstellung bringen kann?

Das gibt es: Es ist das Kinderheim – weil nämlich „das Heim“, oder vielmehr der Weg, wie man dort reinkommt, als Paradigma der gesamten Jugendhilfe gelten kann. Denn während ursprünglich „das Heim“ Kern- und Herzstück der Sozialpädagogik war, so ist es heute deren partie honteuse (dt. Schamteil); und beides ist gleichermaßen charakteristisch.

„Heimunterbringungsverfahren“

Dass „das Heim“ heute mehr den je als Notmaßnahme, als rettende „Intervention“ in einem ansonsten rettungslosen „Fall“ erscheint, hat, neben manchen andern, einen wesentlichen Grund im administrativen Verfahren, das zur „Einweisung“  führt. Denn in der Arbeit der Sozialarbeiterinnen bei der Familienfürsorge ist die Heimunterbringung tatsächlich eine äußerste Maßregel: weil sie durch sie nämlich „den Fall abgeben“.

Ist der „Vorgang“ erst einmal in Bewegung gesetzt, hat die Sozialarbeiterin keinen aktiven Einfluss mehr auf seinen Verlauf – ihre professionelle Verantwortung ist ausgesetzt; sie muss den Eindruck gewinnen, dass sie alles getan hat, was in ihren Kräften stand – und dass das eben nicht genug war! Wenn ein Kind „ins Heim muss“, dann hat allem Anschein nach nicht bloße der Klient – das Kind und seine Familie – „versagt“, sondern eben auch… die individuelle Sozialarbeiterin. Kein Wunder, dass sie „das Heim“ als Vorzimmer zur Hölle ansieht, wo es doch ein sicheres Mal ihres Scheitern ist! Das übrigens doppelt und dreifach, wenn die Heimeinweisung ein Befreiungsschlag ist, mit dem sie sich eine besonders ätzende Familie vom Halse  schafft: denn jetzt kommt zum Gefühl des Versagens auch noch das Schuldgefühl hinzu.

Das ist die erste Schwelle. Die Anlage der Akte ist die zweite: Eine zusätzliche Barriere ist die „psychosoziale Diagnose“. Denn wenn „das Heim“ als eine „äußerste Notmaßregel“ angesehen wird, dann muss der „Fall“ eben auch als ein „besonders schwerer“ dargestellt werden: einer, der „das Äußerste“ rechtfertigt. Es entsteht eine „Akte“, in der – so oder so – das Kind (und seine Familie) belastet wird – und damit sein ganzer künftiger Lebensweg.

Die Sozialarbeiterin wird in der Regel das Entstehen so eines „Vorgangs“ zu vermeiden suchen. Sie wird also sogar vermeiden, die Möglichkeit eines  Heimaufenthalts von Amts wegen überhaupt zur Sprache zu bringen. Der Standesdünkel der Schmalspurpsychiater beim Jugendgesundheitsdienst, die sich ihre ärztliche Machtvollkommenheit nur ungern von der Sozialarbeit einschränken lassen, tut ein Übriges.

Veröffentlichung der Lebensgeschichte – Enteignung des Privaten

Durch das gegenwärtig geltende, bürokratisch formalisierte „Heimunterbringungsverfahren“ wird etwas, das eigentlich nur ein Ereignis in der höchst privaten Lebensgeschichte des Einzelnen ist – dass er nämlich einstweilen dort wohnt und nicht hier -, aus der Sphäre des Individuellen und Zufälligen herausgehoben und auf einem staatlichen, einem öffentlichen Niveau fixiert: Es wird zu einem Faktum von höherer Geltung.

Dabei werden die Einzelnen – nicht nur das Kind, sondern mittelbar seine ganze Familie – von einem Teil ihrer künftigen Lebensführung enteignet: Denn während es leicht ist, in die „Vorgänge“ der Behörde hinein zu rutschen, ist es schwer, wieder raus zu kommen. So sehr sich die Sozialarbeiterinnen sträuben mögen, eine Heimeinweisung in Gang zu setzen, so sehr widerstrebt es ihnen nämlich auch, sie gegebenenfalls wieder… rückgängig zu machen! Kein Wunder: kämen doch andernfalls Zweifel auf, ob der „Fall“ seinerzeit wirklich so schlimm gewesen war, wie er zwecks Einweisung hatte dargestellt werden müssen…

Und so wird das, was eigentlich ein durchaus umkehrbarer Schlenker auf dem Lebensweg hätte bleiben können, nun tatsächlich zu einer ganzen Lebens-Epoche aufgeplustert, die nicht ohne Erlaubnis der Behörde abgeschlossen werden kann.

Nirgends wird die Crux der „hochschwelligen Angebote“ so deutlich wie hier: Ist die Eingangsschwelle hoch, so ist es in der Regel auch – die Ausgangsschwelle. Es reißt eine Dramatisierung in die sozialarbeiterliche Intervention ein, die sachlich gar nicht erwünscht sein kann – und die nur den „Sachzwängen“ eines bürokratischen Systems geschuldet sind.

Die Behörde als helfender Berater, oder der Bock als Gärtner

Wir sind beim Kernproblem öffentlicher Sozialarbeit angelangt. Kann einer, der mit den Prärogativen des öffentlichen Hoheitsträgers ausgestattet ist, auf die Dauer ernsthaft damit rechnen, zu seinem Klienten ein Verhältnis „helfender Beratung“ aufbauen zu können?

Vorab dies: Der Einwand, der an dieser Stelle unweigerlich fällt – dass nämlich fachliche Qualität dauerhaft eben nur durch öffentliche Kontrolle zu gewährleisten sei –, ist vollkommen richtig. Aber es ist eine – interessierte? – optische Täuschung, dass öffentliche Kontrolle eo ipso nur durch hoheitliches Verwaltungshandeln ausgeübt werden kann.

Und tatsächlich kontrolliert die Behörde die Arbeit der Sozialarbeiter nicht, indem sie deren Arbeitsergebnisse (ex post) bewertet – denn nach welchen Erfolgskriterien wohl auch? -; sondern sie legt die Latte höher durch eine Art präventiver Schikane „ex ante“, in der vagen Hoffnung, durch kleinkarierte Pedanterie en gros „Missbrauch“ en détail irgendwie abschrecken zu können. Folgerichtig wittert die Verwaltung bei allem „Niederschwelligen“ sogleich den Anfang von Chaos und Anarchie – von der Verschwendung von Steuergeldern gar nicht zu reden.

Und so liegt denn  die „Schwelle“ vor den Heimen – rein und raus – so hoch, dass von einem… „Angebot“ ehrlicherweise gar nicht mehr die Rede sein kann: Wenn ein Kind „ins Heim muss“, wird es von allen Beteiligten – Kind, Familie, Familienfürsorge – als ein Schicksalsschlag erlebt; wie eine Falle, die zuschnappt: als Endstation.

Punktueller Eingriff oder systemische Wechselwirkung

Der Hintergrund ist die unterschwellig fortdauernde Vorstellung von der Sozialarbeit als einer Art fürsorglichen Gnadenakts eines vormundschaftlichen Staats im individuellen Notfall: der Begriff der Intervention ist nur eine verschämte Latinisierung der alten Horch-und-Guck-Mentalität. So als ob einer, der es besser weiß – und besser kann -, sich in väterlicher Sorge seinem dummen und widerborstigen Kind „zuwendet“ – um es möglichst zu „behandeln“. Arzt, Pfaffe, Polizist: das sind die idealtypischen Charaktermasken von Opas, d. h. Omas Sozialarbeit gewesen.

Tatsächlich ist unterdessen das System der Sozialen Arbeit zu einer allgemeinen Bedingung des Heranwachsens geworden: so wie Schule, Kindergarten, Bafög, Elternfreibeträge… In unserer Gesellschaft ist Jugend-Sozialarbeit eine reguläre öffentliche Dienstleistung.

Der Grund liegt auf der Hand: Die öffentliche Sozialarbeit hat im wachsenden Maße jene Funktionen der sozialen „Sicherung“ wahrzunehmen, die einst die Familien ausübten und die mittlerweile vorherrschenden Torso-Familien nicht mehr ausüben können. Dieser Funktionsverlust der (klein)bürgerlichen Kleinfamilie ist nicht etwa eine bloße Summe von soundso viel je individuellem „Versagen“, sondern ein säkularer zivilisatorischer Prozess, den man vielleicht beklagen, aber nicht ignorieren kann.

Abstrakt gesprochen, handelt es sich um zwei Seiten desselben historischen Ereignisses: der zunehmenden Vergesellschaftung aller Lebensprozesse. Erstens folgt der (technischen) Vergesellschaftung der materiellen Produktion durch die große Industrie jetzt die Vergesellschaftung der Produktion und Reproduktion des lebendigen Arbeitsvermögens selbst; und durch die Mobilisierung des bürgerlichen Reichtums im Aktienkapital wird die Familie zweitens auch im Bürgertum obsolet: nämlich als Erbengemeinschaft. Sie ist nun nicht mehr der unverzichtbare Rahmen, in dem der Reichtum akkumuliert wird. Als société anonyme trägt das Kapital keinen Namen mehr.

Und darum ist die sogenannte „Jugendhilfe“ auch kein Stück Wohlfahrtspflege, sondern ein Teil der Gesellschaftspolitik.

Aber Verwaltung und Sozialarbeit haben notwendig eine je verschiedene Optik; wohlbemerkt nicht eine richtige und eine falsche, sondern, von wegen der unterschiedlichen Aufträge eben eine… verschiedene.

Hoheitliches (Verwaltungs-) Handeln ist notwendig linear. Die eine Seite, das hoheitliche Subjekt, handelt – und „wirkt“ auf die andre Seite, die zivile Gesellschaft, ein, als auf ein ihr gegenüber passives „Material“. Die Aktion ist einseitig.

Und im demokratischen Rechtsstaat muss das auch so sein, dort nämlich, wo (idealiter) „der Staat“ – als „das Allgemeine“ – die Vielen gegen die Einzelnen repräsentiert. Ließe der Hoheitsträger die Rückmeldungen, die sein Handeln aus der zivilen Gesellschaft jeweils erfährt, einfach auf sich „wirken“, dann müsste er immer und immer wieder sagen: „Ach, jetzt hab ich’s mir anders überlegt“, und dann wäre die Rechtssicherheit, und mit ihr die Einklagbarkeit allen hoheitlichen Handelns, zum Teufel.

Soziale Arbeit hingegen ist wesentlich Wechselwirkung, Interaktion vieler Kommunikanten: Sie ist vor allem Kommunikations-Zusammenhang. Sie findet nicht linear statt, sondern systemisch, als Wirken in einem Feld von vielen Wirkenden. Der Sozialarbeiter zielt mit seinem Handeln auf die Rückkoppelung mit seinen Klienten geradezu ab, um sein eigenes Handeln wiederum darauf einzustellen, und so fort; das ist sogar der ganze Zweck und Inhalt seiner Arbeit. Er zielt nicht, wie die „Maßnahmen“ des einzelnen Beamten, auf dieses oder jenes Resultat; sondern diesen Prozess selbst in Gang setzen, in Gang halten und auf seine „Richtung“ Einfluss nehmen – das ist seine Arbeit.

Und weil er in einem Feld arbeitet, wo außer ihm noch eine Menge andrer Kräfte wirken, kann er sich auch nicht einbilden, die „Richtung“ allein festzulegen: Seine Arbeit ist nie ‘ganz oder gar nicht’, sondern immer nur ‘mehr oder weniger’. Darum ist sein Erfolg naturgemäß auch nicht messbar: jedenfalls nicht am „einzelnen Fall“, und nie zum gegebenen Zeitpunkt. Sein Erfolg ist immer ein Mehr oder Weniger im Querschnitt und im Längsschnitt.

Und darum ist Sozialarbeit auch gar nicht zu bewerten nach der Leistung dieses oder jenes (einzelnen) Sozialarbeiters hier und jetzt, sondern an der Leistungskraft des Systems der Sozialarbeit im Großen und Ganzen.

Eine öffentliche Dienstleistung in einem System gesellschaftlicher Selbstregulierung

Sozialarbeit und Verwaltung folgen zwei grundsätzlich verschiedenen und grundsätzlich unvereinbaren Logiken. Werden sie vermengt, kann weder die eine noch die andere ihre Aufgaben wirksam wahrnehmen. Im Ergebnis: Die verwaltungsmäßige Sozialarbeit ist ziemlich ineffektiv, und zugleich vergeudet sie eine Menge Steuergelder…

Die Aufgabe liegt auf der Hand: Sozialarbeit und Verwaltung entmischen. Also z.B. die Familienfürsorge nicht bloß aus den Rathäusern, sondern aus dem öffentlichen Dienst überhaupt herausholen. Bleibt nur die Frage: wie dann die professionelle Qualität der Sozialarbeit garantieren?

Sobald sie einmal der staatlichen Aufsicht entronnen sind – wird sich das machtbewusste und besitzfrohe Völkchen der Sozialarbeiter nicht über die gesamte Oberfläche der Gesellschaft ergießen, in alle ihre Poren eindringen und das Land als eine allgemeine psychosoziale Gesundheitspolizei einer zudringliche Standesherrschaft unterwerfen?

Sicher ist: Öffentliche Kontrolle ist unverzichtbar, und wirksamer als heute kann sie auch ruhig sein. Aber öffentlich heißt eben nicht gleich staatlich.

Der erste Teil der Aufgabe: die „klinische“ Sozialarbeit, also alles, was „helfende Beratung“ ist, von den – wenigen – wirklich hoheitlichen Funktionen der Familienfürsorge trennen und aus den Ämtern heraus verlagern in die Wohnviertel hinein, etwa in Form von Zweier- oder Vierergruppen von Streetworkern. Zu diesem Zweck könnten zum Beispiel die Gebietsvertretungskörperschaften privatrechtliche Vereine gründen, die die bisherigen „klinischen“ Aufgaben der Familienfürsorge fortführen, aber ansonsten ein Freier Träger unter anderen wären.

Aber sicher, das gibt Probleme mit dem Dienstrecht. Aber unlösbar sind sie nicht. Schließlich gibt es Beispiele im In- und Ausland. Und es geht selbstverständlich nur auf der Basis von Freiwilligkeit: na, umso besser.

Der zweite Teil der Aufgabe ist – zumindest im Prinzip – viel schwieriger. Die öffentliche Kontrolle soll fachlich qualifiziert sein und nicht bürokratisch formalisiert. Wer aber ist fachlich qualifiziert zur Kontrolle, wenn nicht… die Fachwelt selbst? Dazu muss sie freilich ihre feudale Fragmentierung überwinden – und sich selbst zur Öffentlichkeit bilden. Es kann sich also nur um eine berufsständische Selbstkontrolle handeln. Und die kann nur effektiv sein, wenn sie obligatorisch ist: Das verlangt Zwangsmitgliedschaft aller, die öffentliche Zuwendungen in Anspruch nehmen wollen, in einer repräsentativen Standesvertretung. Also eine öffentlich-rechtliche Kammer.

Ärzte, Anwälte, selbst Industrie und Handel haben solche Kammern. Allerdings – und das ist ein wesentlicher Unterschied – kassieren sie bei ihren Kunden, direkt oder (per Krankenschein) indirekt. Qualitätsmerkmal ist die Zufriedenheit der Nachfrager, sie reguliert früher oder später das Angebot. Aber die Sozialarbeit lebt naturgemäß – sonst hieße sie nicht „sozial“ – von der Staatsknete. Sicher darf die Standesvertretung nicht selber die Vergabe öffentlicher Mittel präjudizieren können – sonst wären, beim bekannten Appetit der „Betroffenen“, die Kassen bald leer.

Aber es bedarf einer gegenseitigen institutionellen Repräsentation von staatlicher Hoheit und fachlicher Kompetenz. Und tatsächlich gibt es ein solches gegenseitiges Vertretungsorgan, in dem die Soziale Arbeit als Berufsstand öffentlich-rechtlich anerkannt ist: nämlich die bisherigen Jugendwohlfahrtsausschüsse, in denen den Freien Trägern eine bestimmte Quote gesetzlich garantiert ist.

Nun wäre ein weiterer Schritt fällig. Während nämlich bislang die Vertreter der freien Sozialarbeit (einvernehmlich) von der staatlichen Seite – den Vertretungskörperschaften – ausgewählt werden, müsste die Standesorganisation der Sozialarbeiter – nennen wir sie mal Jugendhilfetag – dann ihr Vertreter selber wählen können. Dazu müsste sie aber erstmal in sich selber repräsentativ verfasst sein – und das heißt paritätisch (was die Fünferbande der großen Wohlfahrtskonzerne nicht gerne hören wird). Über die genaue Definition der rechtlichen und fiskalischen Kompetenzen dieses neuen Kinder- und Jugendhilfeausschusses lassen sich später noch genug Haare spalten.

An dieser Stelle ist nur eins festzuhalten: Die Berufsvertretung der der Sozialarbeiter hat nicht selber in die Kasse zu greifen, sondern sie hat vielmehr der Politik die fachlichen Parameter zu liefern, nach denen jene „verteilt“. Der Unterschied zu heute wäre beträchtlich: Die Parameter sind dann sachlich qualifiziert, weil und insofern sie aus einer repräsentativen Quelle stammen.

Ein tiefer Schnitt

Soll das System der Jugend-Sozialarbeit nicht an Herzverfettung kollabieren, dann muss die Spirale von Spezialisierung und Bürokratisierung jetzt zerbrochen werden. In die soziale Arbeit müssen Unternehmungsgeist und Eigenverantwortung einkehren. Quacksalberei am Detail hilft nichts. Es muss ein tiefer Schnitt getan, es muss das Ruder herumgeworfen, es muss – neu angefangen werden.

Es ist absurd, dass ein Kind und seine Familie einem „helfenden Berater“ Zutritt zu ihrem Privatleben gewähren sollen, der zuvor der Hoheit und ihrem Fiskus seine besondere Treue gelobt hat. Und es ist absurd, dass ein Beruf, der wie kein anderer vom persönlichen Einsatz lebt, ausgerechnet in einem Apparat ausgeübt wird, dessen Raison d’être dies ist, dass er individuelle Entscheidungen zu unpersönlichen „Vorgängen“ versachlicht und objektiviert.

Über die Einzelheiten zu streiten wird noch reichlich Gelegenheit sein. Das Kammer-Modell hat sicher auch seine Tücken; und ob die Jugendwohlfahrtsausschüsse überhaupt wiederbelebungsfähig sind, mag bezweifelt werden. Aber an der Richtung kann es keinen Zweifel mehr geben. Der hier vorgetragene Plan hat den unbequemen Vorzug, gänzlich machbar zu sein – und sogar schon auf der bloßen Länderebene.

Wer diesen Weg nicht gehen will, muss sagen, welchen sonst – oder sich aus der Sache raushalten. Denn bloßes Drumrumreden geht nun jedenfalls nicht mehr.


*) Hing damals wirklich in der Luft. Aber das war in Ostdeutschland. Danach kam die Wiedervereinigung, die hätte "alles möglich" werden lassen können. Das ließ meinen damaligen Vorschlag realistisch erscheinen. [Dez. 2013]



Ein gewagtes Unternehmen Warum Sozialarbeit nicht länger in den Öffentlichen Dienst gehört

in: Soziale Arbeit 12/1993

Hier und jetzt

Orientierung auf die Lebenswelt ist, spätestens seit dem 8. Jugendbericht, zum Leitmotiv zukunftsorientierter Sozialarbeit geworden. Und das heißt im besondern: Die Blickrichtung wechseln vom „Fall“ – und dem ihn konstituierenden außerordent-lichen Symptom – hin zum ‚Feld’ des lebendigen Alltags und allem, was da möglich ist…

Das Bundesland Bremen wollte damit ernstmachen und hat in seiner Neuordnung der sozialen Dienste (NOSD) vor Jahr und Tag die zentralen Spezialdienste zum Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) zusammengefaßt und ihn – in die Wohnviertel hinausverlagert. ‚Stadtteilbezug’ und Orientierung auf die Lebenswelt sind quasi zu Synonymen geworden. 

Nach zwei Jahren sollte nun Bilanz gezogen werden auf der Fachtagung Ortsbestimmung der ambulanten Dienste für Kinder und Jugendlicheam 26.-29. 4. 1993. Der folgende Text ist die überarbeitet Fassung eines dort gehaltenen Referats.

„Ist der kommunale Bereich der adäquate Ort für die ambulanten Dienste?", hieß die selbstkrirische Frage.“

Man ist versucht zu entgegnen: Ja welcher denn sonst?!

Bei den stationären Angeboten könnte man sich ja noch vorstellen, daß aus diesem oder jenem Grunde eine räumliche Trennung angezeigt wäre zwischen dem Ort, wo der Bedarf aufgetreten ist, und dem Ort, wo die Leistung erbracht wird (und in der Regel gilt für den Zeitpunkt dann dasselbe). Aber doch nicht bei den ambulanten Diensten, deren Raison d’être doch eben, wie im klassischen Drama, die Einheit von Ort und Zeit ist!

Doch ambulant wird die Sozialarbeit wohl werden müssen, wenn sie in natürlichen Lebenswelten wirken will statt auf künstlichen Stationen…

Man möchte also über das Ob rasch hinweggehen und sich sogleich aufs Daß verständigen; wäre da nicht ein beunruhigender Doppelsinn in der Formulierung der Frage.

Daß das Gemeinwesen der – fachlogisch wie topographisch – angezeigte Ort ambulanter Dienste ist, ist selbstverständlich bis an den Rand der Tautologie. Daß jedoch die kommunale Verwaltung ihr geeigneter Rahmen wäre, ist so strittig wie nur irgendwas. Wie man auf die ‚Rückseite’ der Frage antwortet, hängt indes ab von den Gründen, weshalb man auf der ‚Vorderseite’ mit Ja geantwortet hat.

Die Erwäggründe, die auf der Vorderseite das Ja erheischen, gebieten auf der Rückseite ebenso kategorisch ein Nein.

Die Sozialarbeit ist nicht aus Begriffen, nicht aus theoretischen Systemen entstanden, sondern aus Problemen, die akut wurden und „sich zeigten“: nicht doktrinal, sondern ‚aporetisch’; nicht diskursiv, sondern pragmatisch. Ihre nachträglichen begrifflichen Systematisierungen entstanden immer erst aus dem Bedürfnis, die tatsächliche Praxis der Sozialarbeit ins Verhältnis zu setzen zu ihren gesellschaftlichen Voraussetzungen. Will sagen, die theoretische Reflexion unserer Disziplin kommt notwendigerweise immer erst post festum (wie das Wort Reflexion ja vermuten lässt.) Systematische Erörterun-gen über ihre gesellschaftliche Sendung und ihre richtigen Methoden sollten daher sinnvollerweise nicht bei der Konstruktion eines „wahren Begriffs“ von Sozialarbeit ansetzen, sondern mit einer faktischen Bestandsaufnahme: Welches sind die Aufgaben, die die Sozialarbeit in unserer Gesellschaft tatsächlich erfüllt?

Danach kann man dann die Frage stellen, ob sie sie zufriedenstellend bewältigt, oder ob sie ihre Sache – so oder so – besser machen könnte…

Natürlich kann man sich für die Sozialarbeit immer auch andere Aufgaben ausdenken als die, die sich ihr ‚von sich aus’ stellen; nur muß man sich dann darüber im Klaren sein, daß das keine fachimmanente, sondern eine im strengsten Sinn politische Diskussion ist.

sich zurechtfinden 

Zunächst einmal, was sicher nicht zu den Aufgaben der Sozialarbeit gehört: Mit Sicherheit weist sie den Menschen nicht den richtigen Weg durchs Leben. Sie sagt ihren Kunden nicht, wie „man“ es „richtig macht“. Nicht unbedingt, weil die einzelnen Sozialarbeiter das nicht wollten: Lebensläufe korrigieren und Schicksal spielen gehört sprichwörtlich zu den Dauer-Versuchungen des Metiers. 

Sondern weil sie es, bei bestem oder bösem Willen, nicht können. 

Die Gesellschaft, in der wir leben, hat keine verbindlichen Normen mehr, an die man sich nur zu halten bräuchte, um glatt und problemlos durchs Leben zu kommen. „Eines schickt sich nicht für alle. Schaue jeder, wie er’s treibe. Schaue jeder, wo er bleibe – und wer steht, daß er nicht falle.“ (Goethe) Die bürgerliche Zivilisation hat die Menschen aus den heiligen Ordnungen von Gottes Gnade befreit und auf die eigenen Füß e gestellt: Wir sind „zur Freiheit verurteilt“.  

Was sie ‚ihrem Begriff nach’ schon immer gewesen ist, ist sie in den letzten Jahrzehnten auch in der Erlebenswirklichkeit des Durchschnittsmenschen geworden. „Ende der Normalbiographie“ nennen das die Soziologen und Kulturhistoriker. Individualisierung und Differenzierung der Lebensstile, Informalisierung der Verkehrsweisen sind die Charakteristika der an diesem Jahrtausendende ‚zu sich selbst kommenden’ bürgerlichen Gesellschaft.

Wo ein jeder sich selbst zurechtfinden muß und nichts mehr hat, woran er sich halten kann, nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, daß einer in die Irre geht. Nicht in dem Sinn, daß er das Ziel verfehlt (denn dieses eine haben wir nicht mehr: Jedes ist so gut wie das andere), sondern daß er sein Ziel verfehlt: weil es nicht von dieser Welt war, oder weil er sich unterwegs verlaufen hat… Ob ein Lebensplan richtig oder falsch ist, läßt sich a priori (= aus dem Begriff her aus) gar nicht entscheiden, sondern immer erst a posteriori (= nach der Erfahrung); danach, ob einer „es schafft“ oder scheitert. ‚Richtig’ oder ‚falsch’ sind darum keine brauchbaren Kategorien der Sozialarbeit mehr, sondern nur noch: ‚mehr oder weniger wahrscheinlich’… 

Der Sozialarbeiter ist folglich auch nicht mehr Wegweiser, sondern helfender Berater. Das Leben ist so unübersichtlich geworden, daß sich keiner mehr in allen Lebensbereichen gleichermaßen gut zurechtfindet. Irgendwo, irgendwann ist jeder mal auf einen Experten angewiesen: Rechtsberatung, Steuerberatung, Schönheitsberatung, Gesundheitsberatung, Vermögensberatung… Und eben immer öfter auch: Beratung in Fragen der persönlichen Lebensführung; des Zusammenlebens zumal. Denn hier ist nun nichts mehr selbstverständlich. Wie eine ‘richtige Familie’ auszusehen hat, traut sich nichtmal mehr der Gesetzgeber zu sagen. Was früher als sicherer Hafen und ruhender Pol gegolten hat, ist heute der riskante Teil des Lebens par excellence.

Der helfende Berater ist nurmehr regulativ wirksam, als ein Faktor unter vielen andern in einem vielfältig bedingten Prozeß; nicht mehr normativ als einer, der einen Zustand herbeiführt nach Maßgabe eines fixierten Solls. 

Darum ist sein Wirken immer ad hoc. Der gegebene Rat ‚greift ein’ in den aktuellen Lebenslauf – die Auseinandersetzung des Ratsuchenden mit sich und den anderen. Den Interaktionsfluß unterbrechen, den Ratsuchenden ‚aus dem Verkehr  ziehen’, um ihn in einem – künstlich – dafür eigens eingerichteten Milieu (der ‚Station’) einem erdachten Behandlungsplan zu unterziehen und ihn hernach in seine – ihrerseits un,behandelte’ – Lebenswelt zurückzuversetzen: das kann nur ausnahmsweise Sache der Sozialarbeit sein, und ähnelt eher dem Eingriff des Arztes. Der gegebene Rat des Sozialarbeiters ist immer nur so gut wie das, was der Ratsuchende daraus macht, und zwar zuerst einmal hier und jetzt. Der ‚günstigste Zeitpunkt’ ist immer der, wo der Verirrte merkt, daß er einen Rat braucht: wenn die Nachfrage ‚sich zeigt’. Just in place und just in time müssen das Motto der Sozialarbeit sein. Per Definition ist sie dynamisch – und also nicht „stationär“.

Und will sie den Bedarf an helfender Beratung ‚erkennen’ können, so muß sie sich dort aufhalten, wo er ‚sich zeigt’: in den Wohngebieten 

singuläres Ereignis 

Der Ausdruck „Defizit“ hat damit keinen Sinn mehr in Hinblick auf eine zu erfüllende Norm, sondern nur noch gemessen an dem je singulären Lebensplan des Ratsuchen-den. Der Berater mag ihn in seinem Kopf haben, solange er noch auf der Suche ist nach einer Einsicht in das besondere Lebensproblem seines Kunden. Aber gegenüber einem Dritten kann er ihn sinnvoll nicht mehr aussprechen. Ich schlage vor, ihn ganz aus unserm Repertoire zu streichen.

Das gilt übrigens für alle klassifikatorischen und „diagnostischen“ Vokabeln. Sie haben, wenn überhaupt, nur noch den Sinn, mir einen Zugang zum Problem des Andern zu öffnen. Sie sind ein Geländer, an dem ich mich ins Durcheinander eines fremden Lebens vortaste. Stehe ich erst einmal mittendrin, kann ich loslassen und mit meinen eigenen Augen sehen. Seh-, Denk- und Verständnis-Prothesen brauche ich dann nicht mehr. Und einem Dritten brauche ich sie schon gar nicht mitzuteilen…

Helfende Beratung ist nämlich, wenn sie zustandekommt, personale Begegnung. Das ist immer ein singuläres Ereignis, das sich seiner Natur nach nicht wiederholen, und auch keinem Außenstehenden adäquat mitteilen läßt. Positive Regeln, „wie man sowas macht“, gibt es naturgemäß nicht. Man muß es versuchen, und dann wird man sehen, ob es gelang. Allerdings ist es ratsam, dabei Regeln zu beachten ; doch keine positiven, erfolgverheißenden, sondern kritische, ‚apagogische’ – solche, die mich in Schutz nehmen gegen einige allzu bekannte Fehlerquellen, als da sind: die Gutgläubigkeit gegenüber der Stimme des eignen Herzens; die Selbstverständlichkeiten einer wohlmeinenden Öffentlichkeit; meine eigenen Standesinteressen, die sich gern als ‚das Bedürfnis des Klienten’ tarnen – und gegen das, was ich in den Büchern gelesen habe…

Artisten 

Wer diesen Beruf ergreift, sollte wissen, daß er sich auf ein Abenteuer einläßt. Es ist ein Wagnis, das sich jeden Tag wiederholt: Er muß sich in jeder Situation neu entscheiden, hinter jeder Wegbiegung mit einer Überraschung rechnen und in jedem Moment bereit sein, die Pläne von gestern umzustoßen.

Er muß vom Typus her ein Unternehmer sein.

Menschen dieses Typus haben es im Öffentlichen Dienst bekanntlich schwer. Denn der vertritt die Belange der Allgemeinheit, nicht die singulären Anliegen von Privatleuten. Er muß – im demokratisch-repräsentativen Gemeinwesen zumal – auf Regelhaftigkeit, Vor-schrift, Sicherheit und Berechenbarkeit bedacht sein, und das im Interesse eines Jeden von uns. Denn wie anders wäre eine rechtsstaatliche Verwaltung möglich?

Ich stimme nicht die tausendunderste Jeremiade über eine schlimme Bürokratie an. Ein Grundbestand von Bürokratismus ist für den Rechtsstaat unerläßlich, man kann den einen nicht ohne den andern haben.

Daß dieser Grundbestand hier und anderswo weit überschritten wird, bin ich zu bestreiten weit entfernt; aber das ist ein allgemein gesellschaftspolitisches Thema, doch kein Fachproblem der Sozialarbeit, und stellt sich bei Daimler und IBM nicht minder. Das Kreuz mit dem Öffentlichen Dienst ist bloß, daß es dort kein Gegengewicht gibt…Der Sozialarbeiter lebt in einer völlig andern Welt. Ihm ist es ausschließlich um das ganz persönliche Lebensproblem dessen zu tun, der zu ihm gekommen ist und ihn um seinen Rat gefragt hat. Ob er ihn als ‚Fall’ einer ‚Regel’ zuordnen kann oder nicht, darf ihm herzlich gleichgültig sein, denn er ist nicht dazu da, Regeln zu restaurieren und Normen geltend zu machen. Seine Aufgabe ist, dem Ratsuchenden, dem der Überblick über die vielen Fäden seines Lebens verlorengegangen ist und der sich wie in einem Knoten darin festgezurrt hat, bei der Suche nach einem Ausweg aus seiner Verstrickung zu helfen. Wenn ihm das eine oder andere dabei bekannt vorkommt, dann mag es ihm als einstweilige Sehhilfe dienen, aber mehr auch nicht. Ansonsten ist er an seine produktive Einbildungskraft verwiesen.

Man sieht: Gefordert sind in beiden Bereichen Vertreter höchst gegensätzlicher Menschenschlage; hier Artisten auf dem Drahtseil, dort verläßliche Felsen in der Brandung. Man kann ohne Schaden für die eigne Person nicht das eine und das andre zugleich sein wollen.

Nicht von ungefähr ist das Burnout-Syndrom die charakteristische Berufskrankheit des Öffentlichen Dienstes: Die Anforderungen, die hier gelten, sind allzu fremd in der Welt des bürgerlichen Alltags. Und nicht von ungefähr leiden unter allen öffentlich Bediensteten die Sozialarbeiter quantitativ wie qualitativ am stärksten unterm Burnout: Von ihrer sachlichen Aufgabenstellung – ‚Objektebene’ – sind sie ‚Unternehmer’ par excellence; von den institutionellen Bedingungen ihrer Praxis her – ‚Metaebene’ – sollen sie perfekte Funktionäre sein, wie der Bürohengst.
Wer da nicht über kurz oder lang zur Flasche greift, kann nicht begriffen haben, was von ihm verlangt wird!

So viel über das persönliche Dilemma des Sozialarbeiters im öffentlichen Dienst. Aber da ist darüberhinaus ein fachliches Dilemma. Denn der einzelne Sozialarbeiter ist eben nicht – einzeln: Er ‚arbeitet’ im institutionellen Rahmen dieses oder jenen ‚Dienstes’. Der Dienst ist eine ‚Abteilung’, ein Subsystem des ganzen hoheitlichen Apparats. In ihm spiegelt sich wider: „die Rechtslage“! So viele Paragraphen, so viele Leistungen, so viele Bedarfe, so viele Ansprüche, so viele Töpfe, so viele… Dienste. Auf jedem Töpfchen ein Deckelchen.

Die hoheitlich Verwaltung, ‚Vater’ Staat, läßt ihren Blick über die zivile Gesellschaft gleiten und rechnet dieselbe sich zu. Ihre systematische Prämisse ist die Selbstdefinition der Dienste und Abteilungen durch „die Rechtslage“ und die durch sie gebotene „Maßnahme“. Unter diesem Aspekt blicken sie hinaus ins ‚Feld’ und spähen sie nach ‚Merkmalen’, nach denen sie das Feld ‚auf sich beziehen’, nämlich – qua ‚Klientel’ – unter sich aufteilen können.

Doch diese Optik ist fachlich falsch und schädlich. In der Wirklichkeit des sozialen Feldes gibt es keine Gesetze, Kategorien, Typen, Störungen…, und folglich auch keine ‚Fälle’ und keine ‚Merkmale’. Da gibt es nur lauter Leute, und von denen kommen einige mit ihren Lebensproblemen selber klar und andre nicht. Letzteren bietet die Sozialarbeit ihren helfenden Rat an. Welchen, das hängt immer davon ab, wo das Problem liegt (die Ratsuchenden täuschen sich allzuoft in diesem Punkt). Ihr wahres pragmatisches Problem besteht nicht darin, die „richtige Diagnose“ zu finden (nach objektivierbaren Vorgängen), sondern die Ratlosen, die noch nicht bemerkt haben, daß sie Hilfe brauchen – und ipso facto dringender als die andern! -, auf ihr Hilfsangebot aufmerksam zu machen. Sie muß im Feld Präsenz zeigen und – buchstäblich – sich interessant machen. Sie muß sich ausprobieren lassen. Kurz, die Inanspruchnahme ihrer Dienste muß so informell geschehen können, wie – die andern Verkehrsakte der neomodernen, neobürgerlichen Gesellschaft auch.

Oder noch kürzer: Sie darf nicht länger Behörde sein. 



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