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Donnerstag, 12. April 2018

Generalistik.



Eine Sozialarbeit, die Berater und nicht mehr Wegweiser sein will, hat es nicht mit Fällen, sondern mit Personen zu tun. Wenn der Berater an dem einen etwas findet, was ihm bei einem andern auch schon auffiel, mag ihm das zur Orientie­rung dienen. Es charakterisiert dann sein eignes Nachdenken; doch nicht den Ratsuchenden. Denn der ist nicht für ihn, sondern er für jenen da. Bestimmungsgrund der Beratung sind nicht der Ratgeber und seine Begriffe, sondern der Ratsuchende und sein Problem, und die sind singulär. Sozialarbeit ist eine zusätzliche Res- source, die den Menschen bei der Bewältigung ihrer Lebensaufgaben zur Verfügung steht. Art und Weise der Hilfe wird bestimmt durch den Gebrauch, den der Ratsuchende von ihr.

Die Aufgaben des Sozialarbeiters präsentieren sich dadurch unspezifischer. Er weiß jetzt nicht mehr im Vorhinein, was da auf ihn zukommt. Er weiß nichtmal, ob er ihm gewachsen sein wird. Er steht in einem ‘Feld’ und wartet auf die Nachfrage – die ’sich zeigen’ muß, ehe er sie erkennen kann. Und dann muß er sich ihr stellen; das heißt: sich auf sie einstellen. Also statt das ‘Feld’ nach allgemeinen Begriffen zu sortieren und aufs besondere Profil der jeweiligen Dienste zu verteilen, “läßt er sie alle kommen” und berät sie so lange, wie er kann. Wenn er dann auch nicht mehr weiter weiß, läßt er sich selbst beraten, oder er rät. Schlimmstenfalls läßt er einen andern ran, vielleicht sogar einen Spezialisten.
 
Die Sozialarbeiter müssen wieder zu waghalsigen Generalisten werden, wie sie es in den Anfängen ihres Berufs waren. [2] Als umfassend qualifizierte Professionelle können sie das Spezialistentum überwinden und ihre Arbeitsteilung auf eine höhere Stufe stellen – als wechselnde Aufgabenverteilung von Fall zu Fall innerhalb einer eigenverantwortlichen Equipe. Daß das “nicht geht”, ist freilich ein verbreitetes Vorurteil – und beruht auf der eigenartigen Vorstellung, bei der Sozialarbeit käme es auf technische Präzision an und nicht auf produktive Einbildungskraft.

[2] Über die Art seiner wissenschaftlichen Ausbildung ließe sich vieles sagen. Positives Wissen, das er nur zu lernen bräuchte, gibt es für ihn kaum. Eher geht es darum, sein Mißtrauen und seine Urteilskraft zu wappnen gegen die Selbstverständlichkeiten, die ihm sein Berufsleben leichtmachen wollen.

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