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Donnerstag, 19. April 2018

Gruppennorm ist weiblich.

oder: Klatsch ist gewaltig mächtig.
A. Bartholomé, Le secret
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Aggression im Klassenzimmer:
Mädchen sind Meinungsführer


Eine neue Studie zeigt: Die Einstellung einer Klasse gegenüber Aggression beeinflusst, wie aggressiv sich die einzelnen SchülerInnen verhalten. Besonders die Mädchen in einer Klassengemeinschaft sind es, die den Rahmen für aggressives Verhalten vorgeben. Über drei Jahre hinweg untersuchten die PsychologInnen Robert Busching und Barbara Krahé von der Universität Potsdam die Entwicklung aggressiven Verhaltens bei 1321 Jugendlichen aus verschiedenen weiterführenden Schulen Berlins. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung veröffentlichten sie jetzt in der Fachzeitschrift „Personality and Social Psychology Bulletin“.

„Um gegen aggressives Verhalten vorgehen zu können, muss man verstehen, wie es sich entwickelt und wovon es beeinflusst wird“, sagt der Sozialpsychologe Robert Busching. „Wir haben uns gefragt, wie sich die Klassennorm, also die Einstellungen, die in einer Klassengemeinschaft vorherrschen, auf die individuelle Entwicklung aggressiven Verhaltens bei Jugendlichen auswirkt.“

Die AutorInnen verwendeten einen Fragebogen, mit dem sie die Einstellungen von SchülerInnen gegenüber Aggression sowie ihr aggressives Verhalten untersuchten. Im ersten Teil des Fragebogens wurden die Einstellungen gegenüber Aggression erfasst. Die SchülerInnen lasen zunächst eine fiktive Geschichte, in der ein Jugendlicher einen anderen provoziert. Sie sollten sich in den provozierten Jugendlichen hineinversetzen und angeben, wie angemessen sie verschiedene vorgegebene aggressive Reaktionen in dieser Situation finden würden (zum Beispiel: die andere Person zu schubsen). Je angemessener sie die aggressiven Reaktionen beurteilten, desto positiver ihre Einstellung gegenüber Aggression. Die jeweilige Klassennorm wurde über die Durchschnittsbildung der individuellen Einstellung ermittelt.


Im zweiten Teil des Fragebogens wurde das aggressive Verhalten erfragt. Die Schüler sollten angeben, wie oft sie in den letzten sechs Monaten entweder körperlich aggressiv waren (durch Schubsen, Treten oder Beißen) oder andere Personen in ihren sozialen Beziehungen geschädigt hatten (z.B. hinter dem Rücken Gerüchte über jemanden verbreitet hatten). SchülerInnen der siebten und achten Jahrgangsstufe füllten den Fragebogen insgesamt viermal über einen Zeitraum von drei Jahren aus. Die jeweiligen Klassenverbände blieben in diesem Zeitraum bestehen.

Die Ergebnisse zum Einfluss der Klassennorm auf das Verhalten der Mitschüler zeigen: Wird in einer Klasse Aggression eher toleriert, zeigen die Schüler auch mehr aggressives Verhalten. In Klassengemeinschaften hingegen, die aggressive Handlungen nur gering tolerieren, verhalten sich die einzelnen SchülerInnen dagegen weniger aggressiv, und zwar unabhängig von ihren eigenen Einstellungen.

Die ForscherInnen untersuchten auch die Entwicklung aggressiven Verhaltens im Verlauf der drei Jahre. Ihre Analysen zeigen, dass Schüler, die Aggression zunächst ablehnten, sich aber in einer Klasse befanden, die Aggression toleriert, mit der Zeit die Einstellung ihrer Klasse übernahmen und sich vermehrt aggressiv verhielten.

Insbesondere dann, wenn die Mädchen einer Klasse aggressives Verhalten stark akzeptierten, verhielt sich die Klasse insgesamt aggressiver. Die Autoren sehen einen möglichen Grund für dieses geschlechtsspezifische Ergebnis darin, dass die Mädchen untereinander in ihrer Einstellung gegenüber Aggression mehr übereinstimmten als die Jungen. Als einheitlichere Gruppe übten sie dementsprechend mehr Einfluss auf die gesamte Klasse aus.

Die Sozialpsychologin Barbara Krahé betont, dass die Studie wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung von präventiven Maßnahmen bietet: „Wenn es gelingt, in einer Klasse insgesamt, und vor allem bei den Mädchen, die Einstellung zu verankern, dass aggressives Verhalten nicht akzeptabel ist, dann werden sich mit der Zeit auch die aggressiveren Einzelnen dieser Klassennorm anpassen.“

Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Prof. Andrea Abele-Brehm, ergänzt: „Die Studie ist ein wichtiger Beleg dafür, wie wichtig neben der Verhaltensbeeinflussung auf individueller Ebene auch die Verhältnisbeeinflussung auf der Ebene der sozialen Gegebenheiten für die Aggressionsprophylaxe ist.“

Publikation:
Busching, R., & Krahé, B. (2015). The girls set the tone: Gendered classroom norms and the development of aggression in adolescence. Personality and Social Psychology Bulletin. Advance online publication. doi:10.1177/0146167215573212

E-Mail: pressestelle@dgps.de


Nota. - Oha, da hat die Wissenschaft einen unverhofften Schatz gehoben: Individuen richten sich nach Gruppennormen, nicht umgekehrt! Sagen Sie ehrlich: Hätten Sie das gedacht?

Nach dieser Sensation geht die prosaische Meldung fast unter: Bei der Ausbildung von Gruppennormen geben die Mädchen den Ton an - weil sie schon untereinander zu Konformität neigen.

Ist das jetzt gut oder eher schlecht?
JE, 17. 4. 15

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