...das eigentlich ein Vorwort war:
n3po aus Wildwuchs in der Jugendhilfe
Der von so manchen Jugendämtern fröhlich aufgegriffene Vorschlag der Sozialraumbudgets, der den Gedanken der Neuordnung der Sozialarbeit nach Feld-Gesichtspunkten
auf lange Zeit nachhaltig kompro- mittiert haben dürfte, ging ja, das
muss man gerechterweise sagen, auf ein ehrenwertes fachliches Motiv
zurück: Es war die Sorge um den Erhalt der professionellen Standards zu
Zeiten knapper Kassen, und der Hintergrund war eben - der besagte Wildwuchs, der seit Jahrzehnten auch bei uns, sicher viel stärker noch als in Österreich, um sich gegriffen hat.
Den
Anfang machten die Antiautoritären Kinderläden ab Mitte der sechziger
Jahre, da war Pioniergeist und Idealismus, und es brauchte einige Zeit
und Agitation, bis überhaupt die ersten öffentlichen Groschen locker
gemacht werden konnten. Es war immer noch viel Abenteuer dabei, und für
Leute, die ne ruhige Kugel schieben wollten, war es nix. - Ich kürze ab:
Für die wurde es was in den siebziger Jahren, als die Fördermittel
sprudelten, weil Eigeninitiative und Eigenverantwortlichkeit in den
oberen Etagen der Verwal- tung als frischer Wind wahrgenommen wurden und
weil... man bemerkte, dass privates Engagement die öffentlichen Haushalte
entlasten kann. Und so kam es, dass auch bei uns - will mir da einer
ehrlichen Herzens widersprechen? - Leute "mit falscher Motivation"
angelockt wurden. Sicher waren die Stellen, solange man sich bei
den internen Intrigen auf der richtigen Seite hielt, fast so wie im
öffentlichen Dienst und die Kugeln womöglich noch ruhiger, und vor
allem: Da war keiner, der einem fachlich auf die Finger sah.
Das ist aber im privaten wie im öffentlichen Bereich das größte Problem. Professionell störend sind die Ämter in der Kinder- und Jugendhilfe nicht, weil sie kontrollieren, sondern weil sie professionell gar nicht kontrollieren können, sondern
sich mit pauschaler präventiver Schikane begnügen müssen; und im
Einzel- fall dann "auch mal ein Auge zudrücken"! Das Problem ist für die
Praktiker nicht, wenn es ihnen auch so vorkommen mag, dass es zuviel Kontrolle gäbe, sondern dass es zuwenig fachliche Kontrolle gibt.
Ins
Auge springt das, seit die Fördermittel immer spärlicher tröpfeln. Wie
im Artikel nur schamhaft angedeutet, setzte innerhalb des Wildwuchses
eine Preiskonkurrenz ein, und die Ämter neigten unterm sanften Druck der
Stadtkämmerer dazu, die billigsten Angebote vorzuziehen. Dagegen, wurde mir damals versichert, sollten die Sozialraumbudgets ein Bollwerk schaffen. Es sollte die Möglichkeit geschaffen werden, die - oben so genannten - Schwarzen Schafe auszusondern.
Dass
das wünschenswert wäre - wer, der die Branche kennt, würde das
bestreiten? Dass dafür die Jugendämter die am besten geeignete Instanz
wäre - wer, der die Branche kennt, kann auf diese Schnaps- idee kommen!
*
Der
Wildwuchs hat das öffentliche Standing der Sozialpädagogik bis auf die
Knochen ruiniert. Als in den sechziger Jahren die Pioniere daran gingen,
dieses Berufsbild überhaupt erst zu schaffen, da war die allgemeine
Reaktion von Müller und Meier: Hut ab, die traun sich was. Heute tut ein
Sozialpädagoge gut daran, in der Nachbarschaft und im Bekanntenkreis
seinen Beruf zu verschweigen, weil sonst alle denken: Tagedieb mit
großem Maul.
Das
ist wie mit dem schlechten Ruf des Öffentlichen Dienstes: Es ist gar
nicht nötig und es ist ja wahr- scheinlich gar nicht mal der Fall, dass
"alle so sind". Es kommt drauf an, wer in der Behörde oder im Milieu den Ton angibt. Da geht es nicht nur darum, wer öfter und wer seltener, wer lauter oder leiser das Wort ergreift, sondern wie das Umfeld resonniert, und da mag das Ganze wirklich mehr oder ganz was anderes sein als die Summe seiner Teile.
Es
hat also ein bisschen was für sich, wenn jeder einzelne - in der
Behörde oder im Wildwuchs der Praktiker - sagt: An mir liegt's nicht!
Was hab ich nicht alles versucht, aber man läuft ja überall gegen
Wattewände. Man kann gar nix machen. - Eine der Leitenden Beamtinnen,
die seinerzeit mein Kinderhaus in
die Pleite getrieben haben, sagte mir damals: "Herr E., Sie wissen
doch, wie das System funktioniert!" Ich habe geantwortet: In all den
Jahren ist mir hier auf Ihren Fluren ein System nie begegnet. Ich habe
immer nur einzelne Beamte getroffen, die dieses getan und jenes nicht
getan haben. Es gibt gar kein System.
Wenn
sie nämlich alle sagen: An mir liegt's nicht, dass es so ist, haben sie
nur zum Teil Recht. Zum anderen, wichtigeren Teil muss man sagen: Aber
an dir liegt's, wenn es nicht anders wird. Wer soll's denn anders
machen, wenn nicht du? Wenn alle sagen, an mir liegt's nicht...
Das
ist banal, sagen Sie? Wir sind hier in Deutschland, hier ist das nicht
banal. Man konnte als Einzelner ja nichts machen, sollte ich allein den
Kopf hinhalten? - So weit ins Detail gingen die meisten gar nicht; die
sagten schlicht, ich habe nur Befehle ausgeführt.
Mit andern Worten, für Zynismus und Schlendrian gibt es tausend Ausreden und keine Rechtfertigung.
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