Marcus Hein, pixelio.de
aus tagesspiegel.de,Soziale Dienste der Jugendämter sind überfordert
Zu wenig Personal, zu viele Fälle: Die Jugendämter sind beim Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt, Verwahrlosung und Missbrauch überfordert, wie eine Studie zeigt.
Die Studienleiterin und Pädagogikprofessorin an der Hochschule Koblenz, Kathinka Beckmann, betonte, dass die meisten pädagogischen Fachkräfte sehr engagiert und professionell arbeiteten und die Gesetzes- lage gut sei. Den Fachkräften fehle jedoch Zeit, Raum wie ein eigenes Büro, Wissen um strukturelle Ver- flechtungen und die Möglichkeit der Weitergabe von Erfahrungen. In einem Drittel der Sozialen Dienste gebe es keine Einarbeitung, bei zwei Dritteln sei die Einarbeitungszeit zu kurz.
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Der Studie zufolge fehlt in vielen Jugendämtern Personal. Derzeit sind den Angaben zufolge rund 13.400 Mitarbeiter im Allgemeinen Sozialen Dienst tätig - dem Bereich, der Kinder vor Gewalt, Verwahrlosung und Missbrauch schützen soll. Die meisten Fachkräfte betreuten 50 bis 100 Fälle, teils mehr, sagte Beckmann. Durch minderjährige Flüchtlinge sei die Fallzahl noch gestiegen. Notwendig seien daher etwa 16.000 zusätzliche ASD-Mitarbeiter bundesweit.
Prävention nur mit Fallzahl-Begrenzung möglich
Die Leiterin des Jugendamtes Berlin-Mitte, Monika Goral, sagte, je weniger Personal es gebe, desto mehr gerate die Jugendhilfe in die Defensive. Wichtig sei es jedoch, präventiv tätig zu werden. Dafür brauche es eine Fallzahl-Begrenzung für jeden Sozialarbeiter, eine gute Einarbeitungszeit sowie mehr Weiterbildungsangebote.
Der Studie zufolge bleibt etwa für Hausbesuche bei betroffenen Familien häufig zu wenig Zeit. 58 Prozent der befragten Mitarbeiter der Jugendämter verbringen demnach maximal eine Stunde bei Terminen in den Familien. Umgekehrt fehle in den Ämtern häufig der Raum für eine geschützte Gesprächsatmosphäre.
Etwa zwei Drittel der Arbeitszeit in den Jugendämtern werde für die Fall-Dokumentation aufgewendet. Nur 37 Prozent entfielen auf Kontakte mit den Betroffenen. Nur jeder fünfte Sozialarbeiter schafft es laut der Studie, die für Fallübergaben und Verfahren wichtigen Gesprächsprotokolle während oder noch am Tag des Gesprächs auszufüllen. Mehr als jeder zweite Fall bleibe mindestens eine Woche unprotokolliert.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Rainer Becker, sprach von „erheblichen strukturellen Defiziten“, die Fehler begünstigten. „Wir haben ein Kernproblem in der Finanzierungsstruktur der Jugend- ämter“, sagte Becker. Da größtenteils die Kommunen für den Unterhalt der Jugendämter zuständig seien, hänge die Ausstattung von der finanziellen Lage der Städte und Gemeinden ab. Der Bund müsse hier korrigierend eingreifen. Becker forderte darüber hinaus erneut einen Bundeskinderschutzbeauftragten.
Nota. - Heut nur dies: Fallzahl-Begrenzung lautet die Erfordernis, solange die Sozialarbeit dem Fall-Para- digma huldigt. Und so lange muss sie sich über Prävention gar nicht erst den Kopf zerbrechen. Die ist nur möglich bei einem systemischen Ansatz: unspezifisch und aufs soziale Feld bezogen. Denn spezifisch und auf den individuellen Fall bezogen ist 'Prävention' nur als Überwachung möglich - und nutzt selbst dann oft nichts, denn zum richtigen Deuten der Symptome braucht es Künstlerglück.
Eins sollte klar sein: Wasserdichter Schutz ist nicht möglich. Fallbezug ist oft die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Man muss den 'Fällen' die Chance geben, sich "im Feld" zu zeigen.
Würden die Jugendämter so leistungsfähiger? Sie würden vor allem weniger Ämter, und das macht es den "Fällen" leichter,... sich zu zeigen. Es gibt Grund zu der Hoffnung, dass dann im Durchschnitt weniger übersehen wird. Das wäre schon allerhand.
Doch aufgrund der Finanzierungsstruktur ist wiederum eine systemisch präventive, nämlich feldbezogene Sozialarbeit gar nicht möglich.
Merke im übrigen: Die Jugendämter sind systemisch überfordert, weil ihnen zugemutet wird, Helfende Beratung und Hoheitliche Akte unter einen Hut zu bringen. Aber das geht nicht.
JE
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