Meine Blogs

Mittwoch, 3. Juni 2015

Wer hätte das gedacht!

ägyptische Klageweiber
institution logo
Sozial- und Erziehungsdienste: Arbeitsanforderungen besonders stark gestiegen
Rainer Jung
Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung

03.06.2015 11:37

Von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studien
Sozial- und Erziehungsdienste: Arbeitsanforderungen besonders stark gestiegen

Die fachlichen und die Leistungsanforderungen an Beschäftigte in den kommunalen Sozial- und Erziehungsdiensten sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Das zeigen Befragungen im Rahmen von Forschungsprojekten, die die Hans-Böckler-Stiftung fördert. 76 Prozent der Beschäftigten, die zum Beispiel als Erzieherinnen, Erzieher oder Sozialarbeiter in kommunalen Kindertagesstätten, Ganztagsschulen, Beratungsstellen, Jugendeinrichtungen, Heimen oder Behinderteneinrichtungen arbeiten, geben an, dass die an sie gestellten Leistungsanforderungen zugenommen haben. Das kann beispielsweise bedeuten, dass die Beschäftigten zusätzliche Aufgaben übernommen haben oder mehr in der gleichen Zeit schaffen müssen, 48 Prozent sagen sogar, die Leistungsanforderungen hätten „sehr stark“ zugenommen. Dieser Wert liegt noch deutlich höher als bei anderen Beschäftigten in Städten und Gemeinden (siehe auch die Grafik; Link unten). Das ergeben Befragungen unter insgesamt 3.200 kommunalen Beschäftigten in 34 Städten und Gemeinden, die Dr. Werner Schmidt und Andrea Müller vom Tübinger Forschungsinstitut für Arbeit, Technik und Kultur (F.A.T.K.) in den Jahren 2011/2012 durchgeführt haben. Rund 680 der Befragten arbeiteten im Sozial- und Erziehungsdienst.

Auch andere Mitarbeitergruppen in den Kommunen geben mit großer Mehrheit an, dass die Leistungsanforderungen gestiegen sind, doch ein „sehr starker“ Anstieg wird im Durchschnitt aller Beschäftigten mit 38 Prozent von nicht ganz so vielen berichtet. Den Anstieg der Leistungsanforderungen in Städten und Gemeinden bestätigen in einer weiteren Erhebung der F.A.T.K.-Forscher mehrheitlich auch die kommunalen Arbeitgeber. Von den befragten Entscheidungsträgern in 426 Städten und Gemeinden geben sogar 40 Prozent an, dass die Leistungsanforderungen „sehr stark“ zugenommen hätten.

Die Hintergründe hierfür liegen nach Analyse des Soziologen Schmidt „auf der Hand: Einerseits sind viele Kommunen seit Jahren gezwungen, am Personal zu sparen, und andererseits nehmen die Aufgaben kontinuierlich zu“, sagt der Forscher. Danach gefragt, worauf die steigenden Leistungsanforderungen zurückzuführen sind, seien sich Beschäftigte und Arbeitgeber wiederum weitgehend einig, so der Wissenschaftler: 93 Prozent der Arbeitgeber und 85 Prozent der Beschäftigten nennen „wachsende Aufgaben“, 66 Prozent der Arbeitgeber und 72 Prozent der Beschäftigten „Stellenabbau“ als wichtige Gründe.

Die Beschäftigten der Sozial- und Erziehungsdienste sind nach der F.A.T.K.-Befragung offenbar ganz besonders stark mit einem Aufgabenzuwachs konfrontiert. Sie geben sogar zu 93 Prozent an, dass gestiegene Leistungsanforderungen auf „wachsende Aufgaben“ zurückzuführen sind. „Die steigenden gesellschaftlichen Ansprüche an die Qualität der vorschulischen Erziehung, aber auch etwa die Zunahme psychisch belastender Aufgaben im Bereich der Sozialarbeit dürften hier eine Rolle spielen“, erklärt Schmidt. „Die Ursachen der Unzufriedenheit deuten darauf hin, dass eine bessere Personalausstattung sowie eine Aufwertung der Beschäftigten der Sozial- und Erziehungsdienste sowie des öffentlichen Dienstes insgesamt erforderlich sind.“

Erzieherinnen: Steigende Anforderungen, Multitasking, hohe körperliche Belastung 

Einen detaillierteren Blick auf die Arbeitssituation von Erzieherinnen und Erziehern erlauben Befunde aus einem laufenden Forschungsprojekt am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), das ebenfalls von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert wird. Die Forscherinnen Dr. Anja Hall und Ingrid Leppelmeier stützen sich auf die aktuelle Welle der Erwerbstätigenbefragung, die das BIBB und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) 2012 durchgeführt haben. Befragt wurden insgesamt 20.000 Erwerbstätige in Deutschland, unter ihnen knapp 400 Erzieherinnen und Erzieher. Die Ergebnisse der Repräsentativbefragung haben die Forscherinnen mit anderen Studien zur Arbeitssituation in der Kindertagesbetreuung abgeglichen – und in zentralen Punkten sehr starke Übereinstimmungen festgestellt. Erzieherinnen und Erzieher seien „eine besonders belastete Berufsgruppe“, resümieren die BIBB-Expertinnen.

Wesentliche Trends: Erzieherinnen und Erzieher sind mit den Inhalten ihrer Tätigkeit, in ihrem Fall der Sorge- und Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen, im Durchschnitt zufriedener als Beschäftigte anderer Berufe. Doch gleichzeitig wird ihre Tätigkeit fachlich zunehmend anspruchsvoller, die körperlichen und psychischen Belastungen sind groß. Das gilt insbesondere für Lärm, die Notwendigkeit, in auf Dauer schmerzhaften Positionen zu arbeiten, die Anforderung an Multitasking und den Kontakt mit Krankheitserregern. Und Rahmenbedingungen wie die Bezahlung stimmen nach Einschätzung der Erzieherinnen und Erzieher in ihrem Beruf oft nicht. Knapp 50 Prozent zeigen sich damit in der BiBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2012 weniger oder gar nicht zufrieden. Das sind fast 22 Prozentpunkte mehr als im Mittel der Befragten aus anderen Berufen.

Ansprechpartner in der Hans-Böckler-Stiftung

Dr. Stefan Lücking
Abteilung Forschungsförderung
Tel.: 0211-7778-175
E-Mail: Stefan-Lücking@boeckler.de

Dr. Dorothea Voss
Abteilung Forschungsförderung
Tel.: 0211-7778-194
E-Mail: Dorothea-Voss@boeckler.de

Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: 0211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de


Nota. - Ich habe gut drei Jahrzehnte lang selber in dieser Branche gearbeitet. Ich habe immer, von Jahr zu Jahr, gehört, die Belastungen nähmen zu, die Fälle würden immer schwerer, wir bräuchten dringend mehr Personal. Ich habe nie gehört, dieses Jahr sei mal irgendetwas besser geworden, die Fälle nicht mehr ganz so schwer, mit dem Personal käme man endlich mal aus. 

Die Böckler-Stiftung hat auch keine irgendwie objektivierbare empirische Untersuchung in Auftrag gegeben, sondern hat Betroffene danach gefragt, wie sie sich fühlen. Und siehe da - sie fühlen sich nicht gut, und so wird es schon seit hundert Jahren sein: So lange gibt es diesen Beruf nämlich. Und wenn sie alle Jahr für Jahr immer Recht gehabt haben in ihrem Empfinden und es doch heute grad eben noch erträglich ist - dann muss das ja am Anfang die reinste Idylle gewesen sein vor hundert Jahren; und dann können sie damals nicht Recht gehabt haben!

Aber wenn damals nicht, wieso dann heute?

Der Haken ist eben der: Das ist alles gar nicht objektivierbar! Nicht einmal, wenn die Gruppenstärken heraufgesetzt werden - es gab Zeiten, da wurden sie gesenkt, hat man damals nicht geklagt? -, bedeutet das zwingend, dass die Belastung größer würde. Kann sein und ist im statistischen Durchschnitt vielleicht sogar wahrscheinlich; muss aber ganz und gar nicht sein, die Gruppenstärke ist kein unabhängiger Parameter, da ist vieles andere mit ins Spiel. 

Und wenn das schon seit hundert Jahren so geht, dann liegt die Frage nahe: Liegt es vielleicht am Charak- ter dieser Berufe selbst, dass die, die ihn ausüben, ständig klagen müssen? Oder liegt es am Charakter derer, die sie wählen?

*

Nicht die Unzufriedenheit beweist, "dass eine bessere Personalausstattung sowie eine Aufwertung der Beschäftigten der Sozial- und Erziehungsdienste sowie des öffentlichen Dienstes insgesamt erforderlich sind", das traut sich nicht einmal der Mann von der Böckler-Stiftung zu sagen; nein, die Ursachen für Unzufriedenheit "weisen darauf hin"...

Wollen Sie mit mir wetten, dass er das schon wusste, bevor er die Umfrageergebnisse in den Händen hielt - und bevor die Umfrage überhaupt in Auftrag gegeben wurde?

Nein, darauf wollen Sie nicht mit mir wetten, weil Sie wissen, dass Sie die Wette schon verloren haben.
JE



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen